veröffentlicht in: der küchenprofi (Print)

März 2019

Wachsen am laufenden Band

Foto: VDM/AMK

In Baden-Württemberg stehen alle Zeichen auf Wachstum: Leicht Küchen erweitert seine Produktions­­kapazitäten, Liebherr verfolgt ­„ambitionierte“ Wachstumsziele und Häfele verstärkt seine Kompetenz im Bereich Lichtsysteme. Worum es genau geht, hat „der küchenprofi“ während einer zweitägigen Reise – organisiert vom Verband der Deutschen Möbelindustrie (VDM) und der Arbeitsgemeinschaft Die Moderne Küche (AMK) – erfahren.


Ganz nah dran: Stefan Waldenmaier, Vorstandsvorsitzender des schwäbischen Küchenmöbelherstellers Leicht, ist mit viel Herzblut bei der Sache und bei seinen Kunden. Davon konnte sich auch „der küchenprofi“ überzeugen, denn während einer zweitätigen Pressereise durch die „Küchenwelt Baden-Württemberg“ – organisiert von VDM und AMK – führte der Chef persönlich durch die Produktionshalle. „Wir fertigen derzeit 150 bis 160 Küchen pro Tag“, erklärte er. Um dieses Pensum zu halten, muss die Herstellung reibungslos ablaufen. Seit der Eröffnung der Leicht-Welt in Waldstetten vor fünf Jahren hat sich jedoch einiges verändert. Nicht zuletzt aufgrund des erhöhten Auftragsvolumens bedingt durch die ­Alno-Pleite kam es zu Lieferverzögerungen von bis zu fünf Monaten, denn der 660 Mitarbeiter starke Betrieb geriet, was die Kapazitäten betrifft, an seine Grenzen. „Mittlerweile haben wir das aber wieder im Griff“, so Waldenmaier. ­Zumindest, wenn es um die Lieferzeiten geht. ­Küchen mit Lack-Oberflächen verlassen die ­Produktion innerhalb von sechs Wochen, bei Schränken mit Melamin-Fronten liegt die Lieferzeit sogar bei nur vier Wochen. Trotzdem war klar: Leicht muss flächenmäßig expandieren. ­Gesagt, getan.

Im November 2017 sicherte sich das Unternehmen ein 80.000 qm großes Grundstück im Industriepark Gügling im benachbarten Schwäbisch Gmünd. Dort wurde seitdem ein zweites Werk errichtet, das auch bereits übergeben wurde. Die Investitionssumme bezifferte Waldenmaier auf insgesamt 90 Mio. Euro – 40 Mio. Euro für die Halle, 50 Mio. Euro für die nötigen Maschinen. In der neuen Halle wird es zwei Montagelinien geben. Jede Anlage kann sowohl Unter- als auch Oberschränke produzieren. „Wir werden die gesamte Schrankproduktion nach Schwäbisch Gmünd auslagern. Dann kann die Produktion der Fronten und sonstigen Teile hier in Waldstetten weiter wachsen“, sagte Waldenmaier gegenüber der Presse und während der Werksführung wurde deutlich: Es ist eng. Die Gänge sind bis an die Sicherheitszonen zugestellt und die Türme an Fronten und anderen Bestandteilen stapeln sich. „Bald haben wir hier dann wieder mehr Platz“, erklärte der Chef mit einem Lächeln. Er gehe davon aus, dass der Umzug nach Schwäbisch Gmünd knapp ein Jahr dauern werde, sodass die Produktion dort voraussichtlich im September 2020 komplett alle Bänder laufen können.

In Deutschland vertreibt Leicht seine Küchenmöbel fast ausschließlich über den Fachhandel. Vor Ort in Waldstetten gebe es keine Zuliefer­industrie, sämtliche Beschläge kommen laut ­Waldenmaier aus Ostwestfalen. „Die Fertigungssteuerung ist unser eigens Know-how. Dadurch zeichnen wir uns aus.“

Vergangenes Geschäftsjahr konnte Leicht erneut zulegen und erwirtschaftete insgesamt 148 Mio. Euro. Das bedeutet ein Plus von 8,5 Prozent im Vorjahresvergleich (137 Mio. Euro). Jetzt kommt alles anders: „Für 2019 und 2020 forcieren wir kein Wachstum“, so der Vorstandsvorsitzende. Grund dafür seien die beschränkten Produktionskapazitäten. Erst wenn das neue Werk voll in Betrieb ist, will Leicht wieder angreifen. „Bis dahin halten wir unsere Preise stabil, das ist auch von Vorteil“, sagt der Chef mit Blick auf ein mögliches Konjunkturtief.

Bei Liebherr sieht die Strategie anders aus. „Wir verfolgen ambitionierte Wachstumsziele“, verkündete Steffen Nagel, Geschäftsführer Marketing und Sales der Liebherr-Hausgeräte. Erst im Sommer diesen Jahres eröffnete Liebherr das neue Kundenzentrum am Firmenstandort Ochsenhausen. Auf 3.530 qm sehen die Besucher erstmals das gesamte Produktportfolio der Marke auf einen Blick. Zukünftig plant der Konzern eine „Re-Organisation in Deutschland“ und möchte sich noch „näher am Kunden“ positionieren. Das sei gerade aufgrund der Wettbewerbssituation nicht nur am deutschen, sondern auch am internationalen Markt für Hausgeräte entscheidend, so Steffen Nagel.

Dabei stehen die Marke sowie ihre Werte im Vordergrund. „Wir wollen Wachstum, aber nicht um jeden Preis. Unsere Identität als hochwertiger sowie mehrwertorientierter Lieferant von Kühl- und Gefriergeräten bleibt unser höchstes Gut. Davon werden wir nicht abrücken“, erklärte er und betonte außerdem, dass Liebherr sein Sortiment auch zukünftig nicht auf andere Anwendungsbereiche durch Zukauf ausweiten wird. „Von Backen, Kochen und Waschen lassen wir uns nicht ablenken“, sagte Nagel. Stattdessen sollen die Produkte einen Mehrwert – nicht nur für den Alltag, sondern auch für die Gesundheit der Endverbraucher – leisten.

Im Werk in Ochsenhaus produziert Liebherr täglich bis zu 4.200 Hausgeräte und will diese auch international stärker vermarkten. „Wir planen ein neues Werk in Indien“, verriet Nagel der Fachpresse. Das Marktwachstum für Hausgeräte liege dort insgesamt bei vier Prozent, getrieben durch Asien. Allein deshalb sei dieser Schritt von Vorteil.

Wie Internationalisierung als Geschäftsmodell funktioniert, macht Häfele vor. Der Schwarzwälder Beschlaghersteller aus Nagold beschäftigt über 7.800 Mitarbeiter und ist in mehr als 150 Ländern vertreten. 2018 erwirtschaftete der Konzern mit 37 Tochterunternehmen weltweit einen Umsatz in Höhe von 1,4 Mrd. Euro. Der Exportanteil lag bei 80 Prozent – ein Big Player am internationalen Zuliefermarkt, keine Frage.

Egal, ob Möbel- und Baubeschläge, elektronische Schließsysteme oder LED-Lichteffekte, der Beschlag-Spezialist hat die Zukunft im Blick: „Wir sind lösungsgetrieben“, erklärte Häfele-­Vorstandsvorsitzende Sybille Thierer. Deshalb sei das Sortiment so breit aufgestellt. „Die Technik kann in der Küche genauso emotionalisieren wie die Oberfläche“, ist sie überzeugt. Gerade auf den Messen sei spürbar, wie sich die Endverbraucher im Gespräch durch die mit der Technik verbundene Funktionalität begeistern lassen. 25 Prozent des Produkte stammen aus der eigenen Entwicklung.

Um sich auch in Zukunft von der Konkurrenz abzuheben, hat Häfele aufgerüstet und den LED-Lichtspezialist Nimbus zu 100 Prozent gekauft. „Mit Nimbus haben wir nicht nur an Kompetenz im Bereich Licht gewonnen, sondern denken auch noch einen Schritt weiter in Richtung Smart Home“, sagte Häfele-­Vertriebsleiter Nicolas Bransch und demonstrierte anhand einer Nachbildung des ­Häfele-„Functional Cube“, der in Kreuzlingen steht, welche Szenarien mithilfe der Lichttechnik „made by Häfele“ bereits möglich sind. Häfele beschäftigt sich seit zehn Jahren mit dem Thema Licht – nicht nur in der Küche, sondern auch in anderen Wohnbereichen. 2009 brachte das Unternehmen „Loox“ auf den Markt, ein Plug & Play-System zur direkte Ausleuchtung von Möbeln, dessen Netzteil weltweit einsetzbar ist. Die Kabel verlaufen linear und werden in Boxen gebündelt, sodass sie beispielsweise in der Küche hinter den Möbeln platziert werden, doch dabei bleibt es nicht. Verschiedene Licht-Szenarien können programmiert werden – von Warm- zu Kaltweiß bis zur Farbbeleuchtung ist alles möglich. Die Steuerung gelingt über den „Connect Mesh Adapter“, der in Italien produziert wird. „Wir zeigen mit dieser Technologie, was Licht im Möbel bewirken kann“, so Nicolas Bransch.

Auf der Interzum stellt Häfele den Klappenbeschlag „Free Space“ vor, der 80 Prozent aller Klappengrößen abdeckt. „Wir hatten eine Idee, die vom Markt gut angenommen wird“, erklärte Produktmanager Michael Schnee. Mit einer Einbautiefe von 63 mm und -höhe von 172 mm lässt sich dank der „Free Space“-Beschläge mehr nutzbarer Stauraum im Möbel generieren. Außerdem bietet die Tragkraft von bis zu 10,7 kg bei einer Klappenhöhe von 400 mm ein sehr breites Anwendungsspektrum bei nur einer ­Produktbaureihe.

„Wir sind in der Welt der Ausstattung zuhause und arbeiten mit sowie für die Küchenindustrie“, erklärte Sybille Thierer in der abschließenden ­Fragerunde gegenüber den Pressevertretern. Sie blicke „vorsichtig optimistisch“ auf 2020 und wolle ihr Unternehmen „sturmfest“ machen.

Sarah Schädler


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